Praxis Flugsicherheit

Mit Praxis Flugsicherheit vermittelt der SMF dem Sichtflugpiloten wichtige Praxishinweise zu sicherheitsrelevanten Themen.
Ziel ist die Unfallverhütung. Alle Beiträge behandeln fundamentale Prinzipien und haben einen zeitlosen Charakter.




"Nimm dir vor jedem Flug Zeit für
einen seriösen Vorflugcheck"

Vorflugcheck

Am 29.7.2006 startete ein Pilot auf dem Flugplatz Colombier zu einem Rundflug. Schon
nach wenigen Minuten verunglückte die Maschine im Neuenburgersee. Der Pilot konnte
noch rechtzeitig gerettet werden, bevor das Flugzeug im See versank. Was war geschehen?
Nun, der Pilot vergass vor dem Abflug die Kabinenhaube zu verschliessen und merkte nicht,
dass die Trimmung auf "nose up" gestellt war. Dadurch verschlechterten sich die Flugeigen-
schaften derart, dass der Pilot die Maschine nach dem Take-off (Richtung See) nicht richtig
unter Kontrolle hatte. Die Folge war ein Absturz in den See. Kommt hinzu, dass das vorhan-
dene Gesamtrettungsgerät nicht hätte ausgelöst werden können, da es mit einem Schloss
und Splint verriegelt war (siehe Foto). Lehre daraus: Vor jedem Flug ist immer ein seriöser
Vorflugcheck durchzuführen, am besten anhand einer Checkliste. Details zum Unfall siehe
Bericht des Büros für Unfalluntersuchung.


"Overdue"

Abklärungen von "Overdue" bzw. die daraus folgende erste Stufe der Alarmorganisation
sind die häufigsten Tätigkeiten des Such- und Rettungsdienstes Schweiz (RCC). Das
Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hat eine Infoschrift publiziert, um die Bekanntheit der
schnellen, einfachen und unentgeltlichen Möglichkeit zum Schliessen, Annulieren oder
Verspäten von Flugplänen zu steigern.

Flüge werden überfällig, wenn
- ein Flugplan aufgegeben wurde und
- eine Abflugmeldung übermittelt wurde und
- der Flugplan nicht innerhalb 30 Min. nach der letzten übermittelten Ankunftszeit geschlossen
wird



"Steige über Passhöhe schon vor
dem Einstieg in den Pass"

Sichere Alpenflüge

Gebirgsflüge sind insbesondere für Flachlandpiloten eine Herausforderung. Wind, Wet-
ter, Motorenleistung, Geographiekenntnisse und eine vernünftige Flugtaktik sind die
sicherheitsrelevanten Faktoren. Folgende Grundsätze sind in der Praxis zu beachten:
1.) Beurteile die aktuelle Meteo und die Entwicklung beidseitig der Alpen (Wind, Sicht,
Gewitterneigung). Fliege am besten nur bei einer stabilen Hochdrucklage mit schwachen
Winden in die Alpen hinein. Fliege im Alpenrelief nicht bei mässigen bis starken Winden,
insbesondere nicht bei Föhn, auch wenn der blaue Himmel lockt (Gefahr von Turbulen-
zen, Windscherungen, Lee, Abwinden). 2.) Beachte die geringere Luftdichte und redu-
zierte Motorenleistung in der Höhe, im Sommer besonders deutlich: Flügel trägt schlech-
ter, Flugzeug steigt schlechter. 3.) Vor dem Einstieg in einen Pass schon vor dem Pass
soviel Höhe machen, dass der Pass im Prinzip im Sinkflug überflogen werden kann.
Todsünde: Auf keinen Fall zum Pass hinauffliegen (vgl. Bild mit Julierpass, wo bei St. Mo-
ritz zuerst über die Passhöhe hochgedreht wird und erst nachher in den Julier hineingeflo-
gen wird). 4.) Alpenflüge setzen exakte Geographie- und Kartenlesekenntnisse voraus.
Umkehrkurven in engen Gebirgstälern und Bergkesseln können sehr rasch zu tödlichem
Abschmieren führen. Vgl. Unfallbericht Tobago oder Unfallbericht Cessna
Vgl. auch Streckenflug-Tipps von Werner Fischer


"Geschwindigkeit ist das
halbe Leben"

Strömungsabriss und Abschmieren

Der Strömungsabriß (Stall) ist ein aerodynamischer Vorgang. Wird beim Flug der Anstellwin-
kel so gross, daß die kinetische Energie der das Profil umströmenden Luftteilchen das Druck-
gefälle zum Profilende hin nicht mehr überwinden kann, ist der kritische Anstellwinkel erreicht.
In diesem Augenblick beginnt sich die Grenzschicht und die der Profiloberseite nahe Luftströ-
mung vom Flügel zu lösen, bis sie schließlich abreisst. Als Folge vergrößert sich der Wider-
standerheblich, während gleichzeitig der Auftrieb abnimmt oder ganz zusammenbricht. Dieser
Vorgang kann im Rahmen von gekonnten Stall-Übungen, Akroflug oder nach dem Ausflaren
kurz vor dem Aufsetzen ein unkritisches Manöver darstellen, sofern der Pilot die spezifischen
Eigenschaften des Flugzeuges beherrscht. Hingegen muss der bewusste Strömungsabriss
vom ungewollten Abschmieren unterschieden werden. Die Abschmiergefahr ist besonders zu
beachten beim Kurvenflug, Turbulenzen, hoher Zuladung oder geringer Luftdichte in grossen
Höhen. Denk daran: Eine Umkehrkurve in geringer Höhe wegen Motorpanne oder im engen,
ansteigenden Bergtal führt oft zum Abschmieren und endet tödlich. Merke den bewährten
Fliegergrundsatz: "Geschwindigkeit ist das halbe Leben", dh. zu langsames Fliegen ist tabu.
Beobachte daher laufend den Fahrtmesser!




"
Mache einen go-around wenn
die Piste unsichbar wird"


Problematische Blendwirkung der Sonne

Ein Kurs direkt gegen die Sonne ist wegen der Blendwirkung problematisch und wird
im Flug vom Piloten automatisch gemieden. Hilfreich sind Blendhilfen wie eine gute
Sonnenbrille und eine Dächlikappe. Was aber, wenn abends im Landeanflug einmal die
Flugrichtung gegen die tiefstehende Sonne vorgegeben ist (betrifft nach Westen ausge-
richtete Runways)? Dann kann es vorkommen, dass der Pilot im Final die Piste nicht mehr
richtig erkennt, was rasch eine gefährliche Situation bedeuten kann (vgl. Bild mit Final auf
RWY 26 in Lachen). Es empfiehlt sich folgende Handlungsweise: 1) Möglichkeit der proble-
matischen Blendwirkung bereits im check for approach bewusst einbeziehen; 2) RWY-Infos frühzeitig am Funk mithören; 3) Korrekte Volte gemäss Wind und Lande-T gegebenenfalls
gegen die Sonne durchführen; 4) Sofern Sichtbarkeit der Landebahn im Final kritisch wird,
frühzeitig go-around durchführen; 5) Sofern es die Verhältnisse zulassen und von der Flug-
platzleitung genehmigt, der Sonne abgewandte Landebahn benützen; 6) Andernfalls ge-
mäss "disregard approach" Abbruch des Landeanfluges.


"Beziehe auch die Passagiere in
die Luftraumbeobachtung ein"

Sehen und gesehen werden

Die gezielte Luftraumbeobachtung während des Fluges vermeidet Kollisionen. Anstatt
ständig auf die vielen schönen Instrumente zu schauen, soll der Pilot primär nach aussen
blicken. Besonders um Flugplätze, in Segelflug- und Hängegleiterfluggebieten oder engen
Tälern ist ein konzentrierter Outlook gefragt. An der Cockpitscheibe plötzlich auftauchen-
der Gegenverkehr ist bedrohlich und keine Seltenheit. Merkpunkte betreffend "sehen und
gesehen werden": 1.) Scheibe vor Take-off putzen; 2.) Vor Take-off Lichter einschalten;
3) Luftraum immer wieder gezielt nach Flugobjekten abscannen; 4.) Ab 7'000 Fuss Trans-
ponder on; 5.) Auf rechter Talseite fliegen; 6.) Tote Winkel beachten; 7.) Kurve frei? 8.) Se-
gelflug- und Hängegleiterzonen meiden; 9.) Nicht direkt in die Sonne fliegen; 10.) Sonnen-
brille und Dächlikappe tragen; 11.) Regionale Flugplatzfrequenzen mithören; 12). An- und
Abflugverfahren gemäss AD-Info exakt einhalten; 13.) Passagiere in ihrem Wahrnehmungs-
bereich mit dem Melden festgestellter Flugobjekte beschäftigen. Im Fall von Gegenverkehr:
Eigener und fremder Kurs beurteilen und gegebenfalls (sofort) ausweichen.



"
Fliege stets im Gleitwinkelbe-
reich eines potenziellen Lande-feldes"

Streikender Motor

Motorausfall während des Fluges stellt eine bedrohliche, unangenehme Situation dar.
Grund genug, sich als Pilot auf diesen Krisenfall gut vorzubereiten. Zur Pannenpräven-
tion gehört ein seriöser Motorenunterhalt ebenso wie ein gewissenhafter Vorflugcheck
(Benzin-,Ölstand; Instrumente, besondere Auffälligkeiten) sowie eine fachgerechte Mo-
torbedienung im Flug. Als mentale Vorbereitung auf eine plötzliche Panne wird ab und
zu während des Fluges eine entsprechende Reaktion geistig durchgespielt (was mache
ich wenn?). Auch sind gelegentlich simulierte Notlande-Übungen im Gelände sehr hilf-
reich. Wer mental und praktisch übt, vermindert Panik, Stress und grobe Fehlleistungen
im Ereignisfall. Zur erfolgreichen Bewältigung einer konkreten Panne gehört zuerst der
Versuch die Ursache der Störung festzustellen und zu beheben (zB. zusätzl. Benzinpum-
pe betätigen; Umschalten auf Reservetank; evtl.Vergaservorwärmung ziehen; Mixerstel-
lung kontrollieren; Versuch Motor neu zu starten). Streikt der Motor definitiv, so ist eine
Notlandung vorzunehmen. Merke: Der kluge Pilot wählt seinen Flugweg so, dass er stets
im Gleitwinkelbereich eines potenziellen Landefeldes bleibt


"Durchfliege nie eine geschlosse-
ne Nebeldecke auf gut Glück"

Gefährliches Nebelmeer

Nebelfallen sind unangenehm und extrem gefährlich. Pilot "Sorglos" startete im Spät-
herbst trotz Nebellage aber noch bei guter Sicht auf dem Flugplatz Birrfeld zu einem Flug
über die Alpen nach Locarno. In den Bergen überall nur blauer Himmel. Bei der Rückkehr
über den Alpenkamm die Überraschung: Schon die ersten Alpentäler zeigen zum Teil
eine geschlossene Nebeldecke. Welche Handlungsmöglichkeit hat nun der Pilot? Auf
keinen Fall auf gut Glück die geschlossene Nebeldecke durchfliegen. Wenn Benzin und
Zeit reichen, nebelfreien Alternate suchen (z.B. Samedan, Mollis, Bad Ragaz, Buttwil,
Sion, Ambri, Lodrino, Locarno). Im Notfall (Benzinmangel, Eindunkeln) eine Aussenlan-
dung auf einer landefähigen Fläche im nebelfreien Gebiet durchführen und Hombase
informieren.


"Achte in der Höhe auf körperli-
che Ausfallerscheinungen"

Wenn der Sauerstoff knapp wird

Sauerstoffmangel kann beim Piloten die Flugsicherheit ab 4'000 M./ü.M. beeinträchtigen.
Symptome sind nachlassende Aufmerksamkeit, eingeschränkte Denk- und Urteilsfähig-
keit, Sehschwierigkeiten, Farbverblassung, Stirnkopfweh, Gesichtsfeldeinschränkung
oder Kraftlosigkeit. Solche Ausfallerscheinungen werden subjektiv zum Teil spät erkannt
oder falsch interpretiert. Auf jeden Fall sind sie ernst zu nehmen, da die Pilotenqualität
eingeschränkt wird. Sofern kein Zusatsauerstoff zur Verfügung steht, gibt es nur den Ab-
stieg in sauerstoffreichere Höhen. Wer regelmässig und jeweils längere Zeit in grossen
Höhen fliegt muss mit Langzeitschädigungen rechnen wie zum Beispiel Schädigung des
Nervensystems und vorgezogene Senilität oder Nachlassen des Kurzzeitgedächtnisses.